Bisher ausgezeichnete Arbeiten

Foto rechts: Claudia Winkler

Fritz Stolz-Preis 2024

Die Schweizerische Gesellschaft für Religionswissenschaft (SGR) hat auf ihrer Generalversammlung am 7. Juni 2024 den Fritz Stolz-Preis an zwei junge Akademikerinnen und Akademiker verliehen. Mit dem Preis ehrt die Gesellschaft herausragende Abschlussarbeiten in der Fachdisziplin Religionswissenschaft. Die vom SGR-Präsidenten Prof. Martin Baumann eingesetzte Auswahljury ehrte zwei Dissertation:

Christina Wyttenbach: “Sektenbeobachtung als interstitieller Raum – Eine feldtheoretische Analyse der Reaktionen auf neue religiöse Bewegungen in der Schweiz seit den 1960er-Jahren”

Christina Wyttenbach untersucht in ihrer Dissertation auf der Basis historischer Quellen und qualitativer Interviews mit Sektenexpert:innen die Reaktionen auf neue religiöse Bewegungen in der Schweiz seit den 1960er-Jahren. In feldtheoretisch-praxeologischer Perspektive rekonstruiert sie die Genese und Entwicklung der Sektenbeobachtung als interstitieller Raum zwischen dem religiösen, wissenschaftlichen, politischen und journalistischen Feld. Die Positionen und Praktiken der schweizerischen Sektenberatungsstellen werden relational zueinander vorgestellt. Die Analyse mündet in einem themenübergreifenden Deutungsangebot zur Frage nach der Relation zwischen Religion und anderen sozialen Bereichen. Vor dem Hintergrund des Erbes der Sektenbeobachtung wird eine Diskussion über zukünftige Entwicklungen des Faches Religionswissenschaft angeregt. Die Dissertation wird in der Reihe CULTuREL des Seismo-Verlags erscheinen.

Christina Wyttenbach studierte Zeitgeschichte und Soziologie an den Universitäten Fribourg und Utrecht (Niederlande). Ihre Dissertation verfasste sie als Forschungsmitarbeiterin im Projekt «The Legacy of the 1960s and 1970s – Religious and Scientific Entanglements» am Institut für Religionswissenschaft der Universität Bern, gefördert durch den Schweizerischen Nationalfonds.

Bastaiaan van Rijn:“The Experimental Culture of Afterlife Research: Attempts by Spiritual Animal Magnetizers to Prove Life after Death”

Die Dissertation von Bastiaan van Rijn befasst sich mit spirituellen animalischen Magnetiseuren aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, die versuchten, die Existenz und den Inhalt eines Lebens nach dem Tod experimentell zu beweisen. Diese Magnetiseure sind Teil einer längeren Geschichte der «Jenseitsforschung», die von 1784 bis in die Gegenwart reicht und eine gemeinsame experimentelle Kultur aufweist. Ziel der Dissertation war es, die gemeinsame wissenschaftliche Logik dieser Jenseitsforscher in den Vordergrund zu rücken und den spirituellen animalischen Magnetismus an den Anfang dieses Unterfangens zu stellen. Die Jury lobt die Studie als innovativ und originell, da sie einen neuen Beitrag zur historischen Religionsforschung leistet und historische und theoretische Forschung meisterhaft miteinander verbindet. Durch die Analyse historischer Versuche, das Leben nach dem Tod experimentell nachzuweisen, «behandelt die Studie das Thema der Beziehung zwischen Religion und Wissenschaft aus einer neuen und ungewohnten Perspektive», so die Jury.

Bastiaan van Rijn ist Postdoktorand am Institut für Religionswissenschaft der Universität Bern. Seine Forschungsinteressen konzentrieren sich auf heterodoxe religiöse Bewegungen des 19. Jahrhunderts, spielerische Einstellungen zur Religion, zeitgenössische Divination im Westen und programmatische Fragen innerhalb der systematischen Religionswissenschaft.

Preisträger*innen der vergangenen Jahre

Fritz Stolz-Preis 2023

Der Fritz Stolz-Preis 2023 wurde für herausragende Masterarbeiten verliehen. Die Jury beschloss, zwei der eingereichten Masterarbeiten zu prämieren.

Loïc Bawidamann

Von Reptiloiden, Verschwörungen und dem Kampf gegen den Mainstream. Eine religionswissenschaftliche Untersuchung alternativer Medien, Universität Zürich 2023

Loïc Bawidamann analysiert in seiner Masterarbeit die Beziehung von Religion und sogenannten Verschwörungstheorien. Die Untersuchung konzentriert sich auf zwei alternative Medienplattformen aus der Deutschschweiz, die deutliche Bezüge zu Verschwörungstheorien und Religion aufweisen. Die Arbeit stützt sich auf Webscraping der publizierten Medieninhalte und problemzentrierte Interviews, die mit alternativen Medienproduzent*innen geführt wurden, um aufzuzeigen, warum und wie sich religiöse Akteur*innen an der Produktion von alternativen Medien beteiligen. Dabei werden Verschwörungstheorien nicht als Äquivalent zu Religion interpretiert, sondern es wird nach Überschneidungen sowohl auf inhaltlicher als auch auf Akteur*innenebene gefragt. Die Masterarbeit präsentiert somit Zusammenhänge zwischen alternativem Wissen, alternativer Religion und alternativer Medizin, die einen Einblick in ein wenig untersuchtes Milieu ermöglichen und weiterführende Fragen für die religionswissenschaftliche Forschung generieren.

Loïc Bawidamann ist Assistent am Religionswissenschaftlichen Seminar der Universität Zürich und beschäftigt sich in seiner Dissertation weiter mit dem Zusammenspiel von Religion und alternativen Wissensbeständen.

Janina Koelbing

Vom Spiegel des Narziss zum Selfie der Narzissa.Virtuelle Realität als religiöse Technologie der Desubjektivierung, Universität Basel 2023

Die Technologien der virtuellen Realität und des gefilterten Selfies werden in dieser Arbeit als Elemente einer zeitgenössischen Religionsformation ausgewiesen. Diese „ultramoderne“ Religion ist an einem fundamentalen Transformationsprozess der modernen Subjektivierung beteiligt, den die Autorin ausgehend von der christlichen Identifikationslogik hin zur technowissenschaftlichen Inszenierung der Imago Dei auf der Bildschirm-Bühne der Sozialen Medien aufzeigt. Aus dieser zunehmend prekären Einrichtung des Verhältnisses von Subjekt und Alterität gehen Desubjektivierungsvorgänge hervor, wie die Analyse verschiedener medialer Dispositive zeigt.
Theoretische Grundlage dieser Herleitung sind die Subjektphilosophie Jacques Lacans und die Thesen des Psychoanalytikers und Rechtshistorikers Pierre Legendres. Diese Einsichten überführt die Autorin in eine psychoanalytisch informierte strukturale Religionstheorie, die ein transzendentales Strukturprinzip für die religiöse Konstituierung von Gesellschaft und Subjekt verantwortlich macht.

Janina Koelbing ist Assistentin im Fachbereich Religionswissenschaft der Universität Basel. Ihre Forschung betreibt sie weiterhin in der Schnittstelle von Religionstheorie, Subjektphilosophie und Psychoanalyse.