Wo kann es nach einem Religionswissenschafts-Studium hin gehen?
Das Studium der Religionswissenschaft qualifiziert zur Arbeit in NGOs, Stiftungen und Kultureinrichtungen, zu Medienarbeit, im Verlagswesen, bei Behörden, im Diversity Management oder in der Integrationsarbeit; aber auch zu Erwachsenenbildung, zu einer Zusatzqualifizierung als Religionslehrer*in oder zu einer universitären Laufbahn und anderem mehr.
Mehr zu Berufsperspektiven für Religionswissenschaftler*innen
- Buch: "Und was machst Du später damit?" Berufsperspektiven für Religionswissenschaftler und Absolventen anderer Kleiner Fächer. Hgg. von P. Diemling, J. Westermann, Frankfurt/M: P. Lang 2011. (Inhaltsverzeichnis)
- Berichte und Aktivitäten von "Religionswissenschaft im Beruf"
- Viele gute Antworten rund um die Frage, warum es Religionswissenschaft und andere Geisteswissenschaften zur Lösung gesellschaftlicher Probleme ebenso wie zur Stärkung der Wirtschaft braucht, gibt es bei "It's the humanities, stupid!".
Alumni Portraits: Hier arbeiten Religionswissenschaftler*innen
Kunstvermittlung im Museum: Karolina Lisowski
"Zwischen meinen wissenschaftlichen Interessen und meiner aktuellen Berufstätigkeit gibt es eine klare Kontinuität..."
Karolina Lisowski hat Religionswissenschaft und Kunstgeschichte studiert. Heute arbeitet sie als Projektmitarbeiterin in der Kunstvermittlung im Museum Rietberg in Zürich, einem der grössten Kunstmuseen der Schweiz.
Warum Religionswissenschaft?
"Die Religionswissenschaft habe ich im Gymnasium entdeckt. Ich konnte Religionswissenschaft als Ergänzungsfach wählen und hatte zwei Dozierende, die über Religion offen und kritisch gedacht und gesprochen haben. Mich haben aber auch die romantischen und mystischen Seiten von Religion gefesselt. Diese Aspekte verband ich damals insbesondere mit dem Buddhismus und den Traditionen Indiens – heute würde ich das anders betrachten. Der Buddhismus-Schwerpunkt des Instituts für Religionswissenschaft in Bern ist der Hauptgrund, warum ich diesen Standort gewählt habe. Ausserdem faszinierte mich die Möglichkeit, eine 'ganz fremde' Sprache wie das Tibetische zu lernen."
Deine Schwerpunkte?
"In meinem Religionswissenschafts-Studium konnte ich verschiedene Themen vertiefen und habe gelernt, wie man komplexe Zusammenhänge erforschen und verstehen kann. Zudem war die fast persönliche Betreuung in einem kleinen Institut ein grosser Mehrwert. Inhaltlich ist für mich die Begegnung mit der Religionsästhetik sehr prägend gewesen. Diese Perspektive interessiert sich für die sinnliche Wahrnehmung der materiellen Dimensionen von Religion, seien es Bilder, Skulpturen oder Gebäude."
Was machst du in deinem Beruf?
"Zwischen meinen wissenschaftlichen Interessen und meiner aktuellen Berufstätigkeit gibt es eine klare Kontinuität. Ich war zuerst Assistentin an der Uni Bern und seit einem Jahr arbeite ich am Museum Rietberg in Zürich, das sich den traditionellen und zeitgenössischen Kulturen Asiens, Afrikas, Amerikas und Ozeaniens widmet. Dort bin ich Mitarbeiterin im Projekt “Kunst sehen, Religion verstehen” in der Abteilung für Kunstvermittlung. Ich konzipiere Workshops und andere Aktivitäten, mit denen ich die Ausstellungen einem bestimmten Publikum näherbringe, z.B. Schulklassen. Im Moment arbeiten meine Kolleg*innen und ich an einer interaktiven Online Einführung in den Buddhismus anhand der Kunstwerke des Museums (klicknirvana.rietberg.ch). Dabei spielen meine religionswissenschaftlichen Kompetenzen eine wichtige Rolle, weil die Texte, die wir im Netz mit dem Siegel “Museum Rietberg” veröffentlichen werden, klar und zugänglich, aber auch wissenschaftlich einwandfrei sein müssen."
Was brachte das Studium für deinen Beruf?
"Ich freue mich über diese Stelle und ich habe sie wenige Monate nach dem Ende meiner Anstellung als Assistentin an der Uni Bern gefunden. Dies war aber nicht mein erster Job in einem Museum. Parallel zur Assistenzstelle habe ich jahrelang im Tibet Museum Fondation Alain Bordier in Gruyères gearbeitet. Mit der Zeit ist dieses Museum auch ein Forschungsobjekt für mich geworden: Ich habe dort untersucht, wie die Besucher*innen den Raum und die Objekte wahrnehmen. Dieselben Fragen stelle ich mir jetzt auch in Bezug auf das Museum Rietberg in meiner Dissertation, an der ich neben meiner beruflichen Tätigkeit arbeite. Meine Kolleg*innen im Museum interessieren sich auch für meine Forschung, weil sie zu wertvollen Einsichten für die Ausstellungspraxis führen kann."
Karolina Lisowski im Gespräch mit Andrea Rota (Januar 2020)
Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei den Parlamentsdiensten der Bundesversammlung: Flurin Baumgartner
"In meiner alltäglichen Arbeit ist in erster Linie das geisteswissenschaftliche Handwerk gefragt: recherchieren, analysieren, synthetisieren, schreiben. Im Studium habe ich gelernt, mich innert nützlicher Frist in einem neuen Thema zurechtzufinden."
Flurin Baumgartner hat Religionswissenschaft und Geschichte studiert. Nach seinem Abschluss folgte ein Hochschulpraktikum bei den Parlamentsdiensten der Bundesversammlung, wo er heute als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig ist.
Warum Religionswissenschaft?
Als ich mich auf meine Maturität vorbereitete, tobte in der Schweiz der Abstimmungskampf um die Minarettinitiative. Dass in der politischen Diskussion die kulturhistorischen Hintergründe nur wenig thematisiert wurden, hat mich dazu bewogen, mich selbständig ins Thema einzulesen. Diese Beschäftigung löste eine Faszination für das Thema Religion aus, welche mich gut zwei Jahre später zum Studium der Religionswissenschaft führte.
Ein weiteres Argument für das Studium der Religionswissenschaft war für mich stets dessen grosse inhaltliche und methodische Breite. In kaum einem anderen Fach finden sich historische, soziologische und kulturwissenschaftliche Ansätze derart nah beieinander, was zu ungemein spannenden Diskussionen führt.
Was waren deine Schwerpunkte im Studium?
Von Deutungsversuchen der Shoah über Theorien sozialer Integration bis zur Religionsgeschichte Irans – die grosse Breite des Fachs hat sich in meinem Studienweg niedergeschlagen. Aufgrund meines zweiten Hauptfachs Geschichte zog es mich auch in der Religionswissenschaft immer wieder zu historischen Fragestellungen und dabei konnte ich viel von der Interdisziplinarität des Fachs profitieren, um meinen inhaltlichen und methodischen Blick entscheidend zu erweitern.
Was machst du beruflich?
Ich arbeite als wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Sekretariat der Kommissionen für Wissenschaft, Bildung und Kultur (WBK) der Bundesversammlung. Als Teil des Kommissionssekretariats bin ich mitverantwortlich für die wissenschaftliche und organisatorische Vorbereitung der Kommissionssitzungen und begleite Gesetzgebungsprojekte auf ihrem Weg durch Kommissionen und Räte. Hierfür stelle ich Dokumentationen zu den anstehenden Geschäften zusammen und verfasse Berichte sowie Medienmitteilungen zu den Beschlüssen der Kommissionen.
Was brachte dir das Studium für deinen Beruf?
In meiner alltäglichen Arbeit ist in erster Linie das geisteswissenschaftliche Handwerk gefragt: recherchieren, analysieren, synthetisieren, schreiben. Im Studium habe ich gelernt, mich innert nützlicher Frist in einem neuen Thema zurechtzufinden. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um die Assyrische Kirche des Ostens oder um den Jugendschutz in den Bereichen Film und Videospiele handelt. Ausserdem habe ich mir während des Studiums die Fähigkeit angeeignet, die Argumente und Positionen in komplexen Diskussionen rasch zu erfassen, zu verstehen und verständlich wiederzugeben.
Nicht zuletzt ist für meine Tätigkeit absolut entscheidend, dass diese Wiedergabe neutral erfolgt. Das religionswissenschaftliche Studium legt auf diesen Punkt besonders viel Wert, da das Studium einen immer wieder mit Weltanschauungen konfrontiert, welche der eigenen möglicherweise konträr gegenüberstehen. Die Fähigkeit, anderen Positionen vorurteilsfrei zu begegnen und diese aus sich selbst heraus zu verstehen, ist ein Verdienst eines religionswissenschaftlichen Studiums und auch in der Arbeitswelt von entscheidender Bedeutung.
Furin Baumgartner (September 2022)
Lehrperson für «Religionskunde und Ethik» am Gymnasium: Patricia Kurt
"Die im Studium der Religionswissenschaft erworbenen grundlegenden Fähigkeiten des kritischen Denkens und der Reflexion des eigenen Standpunktes sind jene Kernkompetenzen, die ich auch meinen Schüler:innen mitgeben will."
Patricia Kurt studierte Religionswissenschaft, Soziologie und Gender Studies an der Universität Zürich. Nach ihrem Abschluss folgte das Lehrdiplom für Maturitätsschulen, nebst dem sie bereits zu unterrichten begann. Heute arbeitet sie als Lehrperson für Religionskunde und Ethik an einem Langzeitgymnasium in Luzern.
Warum Religionswissenschaft?
Bereits während meiner Schulzeit, vor allem aber im Zwischenjahr nach der Matura, kam ich mit Menschen unterschiedlicher religiöser Prägung in Kontakt. Mich faszinierte, wie Religion auf dieser individuellen Ebene wirkt und die Weltsicht, Moral, Gefühlswelt und den Alltag eines Menschen beeinflussen kann. Gleichzeitig interessierte ich mich dafür, wie Religion auf gesellschaftlicher und politischer Ebene in Geschichte und Gegenwart zum Tragen kommt, wie sie Zusammengehörigkeit und Frieden stiften und gleichzeitig Herrschaftsansprüche, Diskriminierung und Gewalt rechtfertigen kann. Das hat mich dazu motiviert, mein Studium diesem vielschichtigen und ambivalenten Phänomen «Religion» zu widmen, und ich habe es nicht bereut.
Was waren deine Schwerpunkte im Studium?
Mitbeeinflusst durch mein Nebenfach Soziologie lag mein Studien-Fokus auf religiösen Gegenwartsphänomenen. Beispielsweise beschäftigte ich mich mit der Frage, wie sich gesellschaftliche Veränderungen – beispielsweise der wissenschaftliche Fortschritt oder die Globalisierung – auf die Religiosität der Menschen auswirken. In diesem Zusammenhang habe ich mich mit Angeboten und religiösen Spezialist:innen im Bereich «Spiritualität» auseinandergesetzt: Meine Bachelorarbeit schrieb ich über eine Veranstaltung, bei der ein «Medium» versprach, dem anwesenden Publikum Botschaften von Verstorbenen zu übermitteln, meine Masterarbeit drehte sich um «Kraftorte» und deren Popularität im Bereich Tourismus.
Gleichzeitig boten Studienreisen nach Indien, in den Iran und in die USA Gelegenheit für eine schwerpunktmässige Auseinandersetzung mit den entsprechenden Ländern, den religionshistorischen Hintergründen und aktuellen politischen und – damit nicht selten stark verwobenen – religiösen Entwicklungen. Die Studienreisen eröffneten Gelegenheiten für eine besonders nachhaltige Beschäftigung mit bestimmten Themen und gehören zu den Highlights meiner Studienzeit.
Was machst du beruflich?
Ich arbeite als Fachlehrerin für «Religionskunde und Ethik» an der Kantonsschule Alpenquai Luzern. Am Alpenquai wird das Fach sowohl als promotionsrelevantes Grundlagenfach im Unter- und Obergymnasium unterrichtet (im 1., 2. und 4. Jahr) sowie als Ergänzungsfach im 5. und 6. Jahr angeboten. Der Stellenwert des Faches, die Fachbezeichnung und die Stundendotation variieren allerdings von Kanton zu Kanton, die Bedingungen können also je nach Schule, an der man angestellt ist, sehr unterschiedlich sein. Beispielsweise wird das Fach oft lediglich als Ergänzungsfach und/oder nicht promotionsrelevantes Freifach angeboten und ohne den Zusatz «Ethik» geführt. Grundlegend für das Fach an allen Gymnasien der Schweiz ist die konfessionsunabhängige Ausrichtung.
Was brachte dir das Studium für deinen Beruf?
Dank dem Religionswissenschaftsstudium fühle ich mich in fachlicher Hinsicht kompetent, die im Lehrplan vorgesehenen Inhalte in aktueller, relevanter und für das gymnasiale Niveau passender Form aufzubereiten. Wissenschaftliche und methodische Fertigkeiten ermöglichen es mir ausserdem, beispielsweise im Rahmen von Maturaarbeitsbetreuungen, zum Erreichen überfachlicher Lernziele beizutragen. Zudem sind die im Studium der Religionswissenschaft erworbenen grundlegenden Fähigkeiten des kritischen Denkens und der Reflexion des eigenen Standpunktes jene Kernkompetenzen, die ich auch meinen Schüler:innen mitgeben will. Durch das Religionswissenschaftsstudium fühle ich mich mit allem nötigen Rüstzeug ausgestattet, um mit meinen Klassen in Richtung der allgemeinen Bildungsziele der gymnasialen Maturität hinzuarbeiten: der «allgemeinen Studierfähigkeit» und insbesondere der «vertieften Gesellschaftsreife».
Patricia Kurt (April 2023)
Politik: Irène Kälin
"Durch das Studium der Religionswissenschaft habe ich gelernt, mit anderen Meinungen offen umzugehen, und das ist in unserer vielfältigen politischen Landschaft sehr wichtig."
Irène Kälin hat Religionswissenschaft und Islamwissenschaft studiert. Sie ist heute als Nationalrätin tätig und engagiert sich in der schweizerischen Religionspolitik.
Warum Religionswissenschaft?
"Mich hat das Religiöse schon immer fasziniert, insbesondere die Mythen und Rituale, aber auch die Parallelen, die es zwischen verschiedenen Traditionen gibt. Bereits im Gymnasium konnte ich das Ergänzungsfach 'Religion und Ethik' wählen. Das hat mir eine wissenschaftliche und vergleichende Perspektive auf das Thema Religion eröffnet. Ausschlaggebend war aber meine Faszination dafür, wie wichtig die Religion im Leben von Menschen sein kann, während sie für andere Menschen keine Rolle spielt. Im Studium konnte ich erleben, dass eine wissenschaftliche Perspektive einem einen Blick in Welten ermöglicht, denen man nicht angehört und die einem sonst verschlossen bleiben würden."
Deine Schwerpunkte?
"Im Bachelor habe ich Islamwissenschaft als Hauptfach und Religionswissenschaft als Nebenfach studiert. Im Master habe ich mich für das vergleichende und interdisziplinäre Studienprogramm 'Religion in globaler Gegenwart' entschieden und meinen Schwerpunkt auf die gegenwärtigen Formen des Islams gelegt.
Das war mir wichtig wegen der Bedeutung, die Fragen um das Zusammenleben verschiedener Religionen heute haben und im Lichte der ausgrenzenden Politik zahlreicher europäischen Länder, inklusive der Schweiz, gegenüber Menschen, die sich dem Islam zugehörig fühlen. Im Studium der Religionswissenschaft habe ich ausserdem die gemeinschaftsbildende Dimension der Religion besser begreifen gelernt."
Was machst du beruflich?
"Hauptberuflich bin ich Nationalrätin - im Wissen, dass dies ein Mandat und kein Beruf ist. Mich hat schon im Studium unser Zusammenleben in der Schweiz interessiert und deshalb habe ich mich immer auch politisch engagiert. Neben dem Studium war ich sieben Jahre als Grossrätin im Kanton Aargau tätig. Beruflich wollte ich in der Integration oder in der kulturellen Vermittlung einen Job finden. 2017, gegen Ende meines Masterstudiums, bin ich dann in den Nationalrat nachgerutscht und nun bestimmt die Politik meinen Alltag."
Was brachte dir das Studium dafür?
"Um dieses Amt zu bekleiden, muss man keine akademische Qualifikation haben. Mein Verständnis für verschiedene Religionen und das Wissen, das ich mir im Studium erarbeitet habe, prägen jedoch meine politische Arbeit. Ich habe mich politisch immer für Minderheiten stark gemacht und mich in meinen Studienjahren vorwiegend mit Traditionen beschäftigt, die bei uns Minderheiten sind. Das ist der rote Faden in meinem Leben und eine Eigenheit der Schweiz: Wir sind ein Land von Minderheiten und ich bemühe mich zu bewirken, dass neue religiöse und kulturelle Minderheiten mit den gleichen Rechten und den gleichen Pflichten ausgestattet werden, wie sie die bei uns herkömmlichen religiösen Gemeinschaften haben. Ich glaube, dass wir in der Schweiz ein gutes Modell für das religiöse Zusammenleben haben, aber wir müssen nachbessern, damit dieses Modell der multireligiösen Schweiz weiterhin gerecht wird.
Durch das Studium der Religionswissenschaft konnte ich viel kennenlernen, das mir zu Beginn fremd war. So habe ich auch gelernt, mit anderen Meinungen offen umzugehen, und das ist mitunter in unserer vielfältigen politischen Landschaf sehr wichtig. In diesem Sinne erachte ich mein Studium auch als eine sehr gute Lebensschule für meine Politik."
Irène Kälin im Gespräch mit Andrea Rota (Januar 2020)
Moderatorin der «Sternstunde Religion» für das Schweizer Radio und Fernsehen SRF: Olivia Röllin
"Die Religionswissenschaft hat mir die brennende Aktualität ihres Forschungsobjektes immer wieder vor Augen geführt."
Olivia Röllin studierte Religionswissenschaft und Philosophie in Zürich, München und Wien. Während ihres Studiums begann sie als freie Mitarbeiterin bei SRF-Kultur und übernahm noch vor dem Masterabschluss die Hauptmoderation der «Sternstunde Religion».
Warum Religionswissenschaft?
Das breite Feld der Religion begann mich schon als Kind zu interessieren und irgendwann zu faszinieren. Dass ich in der Schule einen Freundeskreis hatte mit Menschen aus unterschiedlichen Kulturen tat das Seinige dazu, dass ich im Gymnasium dann Philosophie und Religionslehre als Ergänzungsfach wählte. Diese Kombination setzte sich gegen konkurrenzierende Interessen als Studienfächer durch. Mich überzeugte die thematische und methodische Breite, auch wie sich das religionswissenschaftliche Seminar in Zürich damals vorstellte.
Was waren deine Schwerpunkte im Studium?
Ich habe Philosophie und Religionswissenschaft als Hauptfächer studiert, das allein ergab schon eine Gewichtung.Ansonsten habe ich versucht aus der Interdisziplinarität Nutzen zu ziehen und einen breiteren Einblick zu bekommen, indem ich beispielweise Kurse bei der Ägyptologie, der Theologie oder dem Institut für Hermeneutik und Religionsphilosophie belegte. Ab einem gewissen Zeitpunkt begann ich mich auch an geschätzten Professor:innen zu orientieren, weil ich wusste, dass ich von ihnen am meisten profitieren kann.
Was machst du beruflich?
Ich arbeite als Redaktorin und Moderatorin beim Schweizer Radio und Fernsehen (SRF), hauptsächlich für die Sendung «Sternstunde Religion». Das ist eine 30–60-minütige ungeschnittene Gesprächssendung, die sich verschiedensten Aspekten von Religion, Glaube, Spiritualität, Ethik widmet. Dafür plane ich die einzelnen Sendungen in dem ich Gäst:innen und Themen recherchiere und diese im Redaktionsteam je nach Aktualität, Wichtigkeit, Zuschauerinteresse gesetzt werden. Die Vorbereitungen beinhalten einiges an Lektüre, Vorgesprächen mit Expert:innen, das Verfassen eines Sendekonzeptes und damit auch die Gestaltung der jeweiligen Sendung.
Was brachte dir das Studium für deinen Beruf?
Das Methodische, also das präzise Arbeiten und die kritischen Fragen helfen sicherlich genauso wie die inhaltliche Reifung, die man während eines Studiums durchläuft. Meine Studienkombination dient mir heute auch, Ereignisse, Themen und Expert:innen einzuschätzen oder zu finden. Abgesehen davon kann ich mich durch meinen Beruf konstant weiterbilden. Klarerweise nicht so vertieft wie während des Studiums, aber auf eine inspirierende Art und Weise.
Olivia Roellin (Juli 2023)
Foto: SFR/Marion Nitsch/ www.srf.ch/radio-srf-1/persoenlich-sendungsportraet
Informationsstelle über Religionen: Michelle Isler
"Letztlich hat sich die spontane Wahl als die richtige herausgestellt!"
Michelle Isler hat Religionswissenschaft und Hispanistik studiert, danach absolvierte sie ein Praktikum im Bereich Hochschulkommunikation. Heute arbeitet sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Rahmen eines Projekts bei Inforel, der virtuellen Informationsstelle über Religionen und Weltanschauungen in der Region Basel.
Warum Religionswissenschaft?
"Das war ein reiner Zufall; am Tag der offenen Tür für die Maturand*innen suchte ich nach einem zweiten Fach neben Spanisch. Ich setzte mich in eine Info-Veranstaltung der Religionswissenschaft und habe mich danach aus reinem Bauchgefühl entschieden, Religionswissenschaft 'auszuprobieren'. Das Fach 'Religion und Philosophie' am Gymnasium war eher oberflächlich auf Religion eingegangen und Religionswissenschaft machte mich erst 'mal einfach neugierig. Letztlich hat sich die spontane Wahl als die richtige herausgestellt!"
Deine Schwerpunkte?
"Mich interessierte besonders die Schnittmenge meiner Fächer, insbesondere was Literaturwissenschaft und Religionswissenschaft teilen: Narrative und Erzählungen, Mythen, Geschichten und religiöse Motive in der modernen Literatur. Meine Masterarbeit schrieb ich dann auch zu einem solchen Thema, konkret dem Fantastischen bei Jorge Luis Borges. In Basel war der theoretische Aspekt immer sehr präsent und Fragen, welche Religion auf einer Meta-Ebene thematisieren, beschäftigten mich besonders, wie auch die kritische Reflexion von Religionswissenschaft und Wissenschaft allgemein.
Das religionswissenschaftliche Studium brachte viel inhaltliches Wissen zu allerlei Religionen. Allgemein gesehen habe ich vom Studium eine neue und vernetzte Sicht auf Kultur und Gesellschaft mitgenommen. Zudem habe ich ein Bewusstsein dafür entwickelt, wie Religion in der Zeitgeschichte eine Rolle spielt und durch die intensive Auseinandersetzung mit diesem Thema habe ich ein Verständnis für die Komplexität und die Rolle(n) von Religion in Kultur und Gesellschaft gewonnen."
Was machst du in deinem Beruf?
"Meine aktuellen Aufgaben bei Inforel bestehen hauptsächlich aus der Redaktion und Aktualisierung von Informationstexten. Momentan wird an einer Erneuerung der Informationsplattform gearbeitet und entsprechend werden unsere Inhalte zu religiösen Gemeinschaften und Themen aufbereitet. Das ist oft auch mit Recherche verbunden. Ich arbeite zudem auch beim Newsletter mit. Natürlich hatte ich grosses Glück, gleich im Anschluss ans Studium und an mein Praktikum eine Stelle zu finden, wo genau meine Kompetenzen als Religionswissenschaftlerin gefragt sind."
Was brachte das Studium für deinen Beruf?
"Inforel suchte für diese Arbeit natürlich bevorzugt jemanden mit einem religionswissenschaftlichen Studium. Zudem brachte ich aus meinem Praktikum redaktionelle Erfahrungen mit. Das spielte also beides eine wichtige Rolle. Die Arbeit bei Inforel ist aber sehr viel praktischer ausgerichtet als das Studium: Wo dieses meinen abstrakteren Blick auf Religion geschärft hat, ist hier Religion in der Praxis und der Alltag religiöser Gemeinschaften wichtig. Dieser Einblick in die Gemeinschaften in der Region ist spannend und ergänzt meine Erfahrungen und mein Wissen aus dem Studium."
Michelle Isler im Gespräch mit Lavinia Pflugfelder (Februar 2021)
Staatssekretariat für Migration: Oliver Letnansky
"Vernetztes und kritisches Denken ist auf dem Arbeitsmarkt gefragt und etwas, was die Religionswissenschaft ganz besonders fördert."
Oliver Letnansky hat Religionswissenschaft und Geschichte studiert. Nach seinem Abschluss folgte ein Praktikum beim Staatssekretariat für Migration, wo er heute als Fachspezialist in der Abteilung Arbeitsmarktzulassung arbeitet.
Warum Religionswissenschaft?
"Ich habe eine Latein/Griechisch-Matura gemacht. Da reisten wir mit der Griechischklasse in einem Jahr nach Griechenland, hier sah ich zum Beispiel Delphi und den Parthenon. Mit dabei waren zwei Archäologen, welche viel über die Vasen und die Gebäude erzählten. Auf meine Nachfrage hin, ob es auch Disziplinen gebe, die sich weniger mit der Architektur und mehr mit Mythen und Ritualen beschäftigen, bekam ich die Antwort 'Religionswissenschaft'!
Daraufhin informierte ich mich darüber und entschied mich für das Fach, was ich nie bereute. Schon meine Maturaarbeit zum Dionysuskult war eine erste Annäherung an ein religionswissenschaftliches Thema!"
Deine Schwerpunkte?
"Systematische Religionswissenschaft und Religionstheorie waren ein klarer Schwerpunkt bei mir. Aber auch religiöse Zeitgeschichte interessierte mich immer und natürlich habe ich mein Interesse an der Antike nicht verloren. Ausserdem gefielen mir Veranstaltungen zu Themen wie Religion und Hip Hop oder Religion und Comic. Ich habe mir sicher ein breites Fachwissen angeeignet, von der Antike über mittelalterliche Mystik bis hin zum Salafismus und der Postmoderne.
Mit meiner Vertiefung habe ich dabei auch starke analytische Fähigkeiten erworben, das ist für mich eine wichtige Errungenschaft aus dem Studium; Theorien auseinandernehmen, sich in ein anderes Denken hineinversetzen zu können, argumentative und redaktionelle Fertigkeiten. Dazu gehört auch ein konzeptionelles und vernetztes Denken, was das Studium antrainiert.
All diese Fähigkeiten lassen sich in viele sehr verschiedene Kontexte übersetzen und dort anwenden. Vernetztes und kritisches Denken ist auf dem Arbeitsmarkt gefragt und etwas, was die Religionswissenschaft ganz besonders fördert."
Was machst du in deinem Beruf?
"Bei meiner aktuellen berufliche Tätigkeit beim SEM gibt es zwei Gebiete: einerseits der 'Vollzug', also die Zulassung ausländischer Arbeitskräfte in den Schweizer Arbeitsmarkt. Andererseits gibt es die konzeptionelle Verwaltungsarbeit. Will heissen, ich behandle parlamentarische Vorstösse und migrationspolitische Arbeitsmarktaspekte; dies betrifft etwa die Veränderungen der Rechte und Zulassung von Britischen Staatsangehörigen zum Schweizer Arbeitsmarkt nach dem Brexit. Aber ich arbeite auch an historischen Aufarbeitungen oder schreibe Berichte – immer zum Thema der Arbeitsmigration."
Was brachte das Studium für deinen Beruf?
"Meine Anstellung fordert die typischen Soft Skills, welche ein geisteswissenschaftliches Studium vermittelt. Ich bin nicht die einzige Person mit einem philosophisch-historischen Hintergrund und wir wurden wohl auch deswegen angestellt, um die politik- und rechtswissenschaftlichen Fähigkeiten unserer Mitarbeitenden mit den unseren zu ergänzen. Sich in das Ausländer- und Integrationsgesetz hineinzulesen ist vielleicht nicht ganz so spannend wie Vorlesungen zu den 'blutigsten Mythen der Antike', unterscheidet sich aber schlussendlich nicht so arg von einer Religionstheorie, die man zu verstehen versucht. Immerhin ist das Recht ein solidarisches System von Überzeugungen und Praktiken, das sich auf erlaubte und verbotene Dinge bezieht, die in einer und derselben rechtsstaatlichen Gemeinschaft alle vereinen, die ihr angehören… Schlussendlich bleibt die Arbeit in der Bundesverwaltung vor allem aber 'handwerklich', dem Studium sehr ähnlich: Analysieren von 'Quellen', Schreiben von Berichten, Halten von Präsentationen.
Manchmal hat mein Studium thematisch auch mehr mit der Arbeit zu tun: Im Team für Arbeitsmarktzulassungen werden beispielsweise auch Zulassungen für religiöse Betreuungspersonen (z.B. Imame) aus Drittstaaten bearbeitet.
Im Grossen und Ganzen hat das Religionswissenschaftsstudium mich gut vorbereitet für die Arbeit, die ich heute mache."
Oliver Letnansky im Gespräch mit Lavinia Pflugfelder (Februar 2021)
Privatwirtschaft, Direktionsassistentin: Moea Ferrer
"Religionswissenschaft war mehr als ein Bachelor-Studium für mich, es war eine Lehre fürs Lebens und die Gesellschaft, in der wir leben."
Moea Ferrer hat Sozialanthropologie und Religionswissenschaft im Bachelor studiert. Heute arbeitet sie als Direktionsassistenten in einer Projektmanagement und Innenarchitektur Firma.
Was machst du beruflich?
"Das erste Jahr nach dem Abschluss, war ich – wie man so schön sagt – erstmal ein bisschen auf der Suche nach mir selbst und habe verschiedene Studentenjobs gemacht, um mich abzunabeln. Aber schon während meines Studiums hatte ich einen Job in einem Unternehmen für Projektmanagement und Innenarchitektur gefunden, ich war dort eingestellt worden, um das Image der Website und der sozialen Netzwerke zu aktualisieren. Im Laufe der Zeit habe ich mich in verschiedenen Bereichen dieses Unternehmens weiterentwickelt und assistiere jetzt dem Direktor. Ich bin für die Leitung der Teams im Außen- und Innendienst zuständig und stehe ständig in Kontakt mit unseren Mitarbeitenden, unseren Lieferanten und unseren Kunden."
Was brachte dir das Studium dafür?
"In diesem Job geht es viel um zwischenmenschliche Begegnungen. Es geht darum, Kunden und Lieferanten anzusprechen und dabei über das hinauszugehen, was über den Bildschirm oder in ein paar Gesprächsminuten zustande kommt. Vieles was es dafür braucht, verdanke ich den Veranstaltungen, die ich in meinem Bachelor-Studium besucht habe. Denn tragende Verbindungen zu knüfpen ist in meinem heutigen Job essentiell und weil wir mit vielen ausländischen Firmen oder internationalen Kunden arbeiten braucht es gerade hierfür bestimmte Grundlagen – Grundlagen die ich in meinem Studium erlernt habe. Denn Religionswissenschaft war mehr als ein Bachelor-Studium für mich, es war eine Lehre fürs Lebens und die Gesellschaft, in der wir leben."
Moea Ferrer im Gespräch mit François Gauthier (Mai 2021)
Fachdozent an der Pädagogischen Hochschule: Yves Karrer
"Vielen Leuten in meinem Umfeld war zu Beginn gar nicht klar, dass es neben einer theologischen Betrachtung noch einen anderen Blick auf Religion gibt."
Yves Karrer war bereits ausgebildeter Primarlehrer, als er beschloss, Religionswissenschaft und Geschichte zu studieren. Er schloss 2014 den Master ab und ist heute - nach einer Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Pädagogischen Hochschule Zürich - Dozent an der Pädagogischen Hochschule Luzern im Fachbereich Ethik und Religionen.
Warum Religionswissenschaft?
"Ich habe zuerst begonnen, Geschichte im Hauptfach zu studieren und allmählich gemerkt, dass mich bei vielen Themen der Faktor Religion interessiert. Zudem hatte ich damals bereits beruflich mit dem Thema Religion und Schule zu tun." Da habe ich Religionswissenschaft zu meinem Hauptfach gemacht.
Deine Schwerpunkte?
"Während des Studiums konnte ich bei verschiedenen Projekten des Religionswissenschaftlichen Seminars mitwirken. Das war toll und gab einen guten Einblick in die Welt der Religionen. Diese Erfahrungen im ‘Feld’ sind wichtig, um in der Arbeitswelt Fuss fassen zu können.
Generell ergaben sich durch Exkursionen und Feldforschung viele Kontakte, die ich heute für die Lehrerbildung nutzen kann. Persönlich wurde mir dabei immer klar, dass in der Schweiz Religion auf sehr vielfältige Weise anzutreffen ist und diese Vielfalt ein genaues Hinsehen erfordert, um ihr gerecht zu werden."
Was machst du in deinem Beruf am liebsten?
"Die Konzeption von neuen Modulen, […] macht grossen Spass. Und natürlich die Lehrtätigkeit an sich, zum Beispiel die Fachvertiefungswoche zu Religion und Medien, die es ermöglicht, mit den Studierenden vertieft an einem Thema zu arbeiten."
Was brachte das Studium für deinen Beruf?
"Ich habe das Glück, dass ich als Dozent im Bereich Ethik und Religionen an der Pädagogischen Hochschule […] tagtäglich auch fachwissenschaftlich gefordert bin. Insbesondere im Bereich des religionskundlichen Lernens wie auch zu Fragen rund um Religion und Gesellschaft kann ich als Religionswissenschaftler viel bieten.
Zudem habe ich als Teilzeitstudent gelernt, mit Belastungen umzugehen und mich gut zu organisieren. Wichtig ist auch die Fähigkeit, gut recherchieren zu können und schnell an verlässliche, gehaltvolle Informationen heranzukommen. Nun gebe ich auch dieses Wissen an meine Studierenden weiter."
Zusammengestellt aus KSF-Alumni im Portrait: Yves Karrer und "Alumni im Gespräch, ‘Stereotypen Sachlichkeit entgegensetzen’" in: Unilu Aktuell Nr. 49, 2014.
Fabio Rainer: Lehrperson Mittelstufe
"Der analytische Blick auf Religion hilft ungemein, nicht nur religiöse Phänomene, sondern auch ethische Fragestellungen oder das Weltgeschehen ganz generell einordnen zu können."
Warum Religionswissenschaft?
Die Studienwahl fiel mir im Alter der Matura nicht allzu leicht. Schlussendlich entschied ich mich – ganz «klassisch» nach einem Zwischenjahr –, meinen Interessen zu folgen. Da ich bereits an der Kanti das Ergänzungsfach Religionslehre besuchte und mich gerne in Historischem vertiefte, wählte ich den Fächerstudiengang mit Religionswissenschaft im Haupt- und Geschichte im Nebenfach. Letztendlich suchte ich in beiden (nahe liegenden) Bereichen Antworten darauf, wie Menschen und ihr gemeinschaftliches Zusammenleben so funktionieren. Die Religionswissenschaft bietet hier eine gute Gelegenheit, da ganz unterschiedliche Perspektiven möglich sind. Mal steht der einzelne Mensch im Fokus, mal die Gesamtgesellschaft. Mal eine Gruppierung im 19. Jahrhundert und mal ein Grossevent ganz aktuell. Letztendlich kann auf der gesamten Welt und auch aus historischem Blickwinkel nach Fragestellungen, Beispielen und Entwicklungen gesucht werden. Dies macht es äusserst vielfältig.
Was waren deine Schwerpunkte im Studium?
Da ich mit meinem Nebenfach den Fokus auf historische Sachverhalte legen konnte, setzte ich meine Schwerpunkte im systematischen Bereich mit Blick auf das Heute. Welche Rolle spielt Religion in Gegenwartsgesellschaften? In welchen Formen tritt sie auf? Wie lassen sich Veränderungen erklären? Das reichte also von «trockenen» Säkularisierungstheorien über Religion in Politik und Medien bis zu fluiden Formen der Religiosität wie etwa Spiritualität oder in der Populärkultur.
Natürlich wurden diese Schwerpunkte auch von einführenden Seminaren und Vorlesungen zu unterschiedlichen religiösen Traditionen und Fragestellungen begleitet. Das hilft über die Zeit enorm, vernetzt zu denken und das Phänomen Religion umfassend in den Blick zu nehmen!
Was machst du beruflich?
Als Ergänzung zum Fachmaster habe ich an der Universität Zürich die Ausbildung zum Lehrdiplom für Maturitätsschulen (Sek II) absolviert. Mittlerweile bin ich an der Kantonalen Mittelschule Uri als Lehrperson tätig. Hier unterrichte ich am Untergymnasium «Ethik, Religionen, Gemeinschaft» und das Ergänzungsfach «Religionslehre» der Maturandinnen und Maturanden. Die Schülerinnen und Schüler müssen sich also mit Fragen nach dem gemeinsamen Zusammenleben, mit Glaubens- und Wertevielfalt, mit ausgewählten Beispielen der Ethik und unterschiedlichen religiösen Traditionen auseinandersetzen.
Was brachte dir das Studium für deinen Beruf?
Der analytische Blick auf Religion hilft ungemein, nicht nur religiöse Phänomene, sondern auch ethische Fragestellungen oder das Weltgeschehen ganz generell einordnen zu können. Dies hilft mir, Fragen zu stellen, diese zu verfolgen und einen differenzierten Blick zu erlangen. Das verlange ich – obschon wohldosiert – auch von meinen Schülerinnen und Schülern.
Von Anfang an gelang es mir gut, mich auf die Unterrichtsinhalte vorzubereiten; mich einzulesen, die Inhalte zu strukturieren, Argumente aufzubereiten, das Wichtige zu betonen. Alles Dinge, die in meinem Studium eingeübt wurden. Neben den offensichtlichen, inhaltlichen Querbezügen sind es also ebenso eine Reihe von «soft skills», die mich im Berufsalltag begleiten: beispielsweise eigene Texte zu verfassen, strukturiertes Arbeiten oder auch rhetorisches Geschick. Und dennoch bleibt auch der Inhalt zentral. Die Schülerinnen und Schüler merken schnell, ob jemand fachlich kompetent ist oder nicht – da hilft nun mal eine solide Ausbildung.
Jan Emanuel Harry: Lehrperson Sekundarstufe
"Religionswissenschaft hat mir geholfen, die Welt besser zu verstehen und da, wo ich sie nicht auf Anhieb verstehe, mit Interesse hinzuhören."
Warum Religionswissenschaft?
Mein Zwischenjahr nach der Matura war geprägt von Interaktionen mit Menschen, die unterschiedliche und mir teils noch fremde Religionen praktizierten. So arbeitete ich in meinem Zivildienst in einer Durchgangsstation und habe mit Menschen, die sehr unterschiedliche Hintergründe mitbrachten, Kontakte geknüpft. Zusätzlich bereiste ich Burma und war mit Religion konfrontiert, wie ich sie zuvor nicht erlebt hatte. Ich realisierte, dass mich nicht interessierte, wo ein Wahrheitsanspruch bestätigt oder falsifiziert werden konnte. Stattdessen entwickelte ich eine Faszination für unterschiedliche Glaubensinhalte und dafür, wie sich Menschen, die glauben, verhalten. Und so fand ich meinen Weg in die Religionswissenschaft. Ausserdem bin ich der Überzeugung, dass Information und Wissen Angst und Vorurteile vorbeugen können. Sich mit unterschiedlichen Religionen zu befassen, bedeutet für mich somit, die teils in der Gesellschaft vorherrschenden Klischees herauszufordern und genauer hinzuschauen.
Was waren deine Schwerpunkte im Studium?
Im Bachelorstudium habe ich mich im Schwerpunkt mit tibetischem und mongolischem Buddhismus befasst. Das Erlernen einer Quellensprache gehörte zum Studium dazu, wodurch ich die Gelegenheit hatte, die klassische tibetische Schrift kennenzulernen und somit Originaltexte zu lesen. Doch auch andere religiöse Traditionen wurden beleuchtet und religionstheoretische Seminare zielten darauf ab, Wortschatz und Diskurstechniken aufzubauen, um in einem wissenschaftlichen Kontext über Religion sprechen / schreiben / denken zu können.
Die schriftlichen Arbeiten, die auf Bachelor- und Masterstufe zum Religionswissenschaftsstudium gehören, helfen immens, das wissenschaftliche Argumentieren und Kombinieren von Texten zu festigen. Gesamthaft hatte ich die Möglichkeit, mehr als 450 Seiten an wissenschaftlichen Arbeiten zu verfassen, stets betreut von zuvorkommenden und hilfsbereiten Dozierenden. Dies zeigt, wie individuell das religionswissenschaftliche Studium auch verläuft. Es können Schwerpunkte gesetzt und das untersucht werden, wofür ein persönliches Interesse besteht.
Was machst du beruflich?
Momentan arbeite ich als Klassenlehrperson an einer Sekundarschule. Diese Arbeit erlebe ich als sehr erfüllend.
Was brachte dir das Studium für deinen Beruf?
Auf die Kompetenzen aus dem Studium kann ich in mehreren Fächern und vor allem in überfachlichen Kontexten zurückgreifen. Beim Zusammenstellen von Unterrichtsmaterialien helfen die Recherche-techniken, die wir gelernt haben und das effiziente Durchsehen von Daten bzw. Literatur konnte ich vom theoretischen Studium in die Praxis in der Schule transferieren. Religionen beschäftigen zudem viele junge Leute, was zu spannenden Diskussionen im Klassenzimmer führt, an denen ich dank des Studiums besonders kompetent teilnehmen kann.
Das Studium der Religionswissenschaft hat mir geholfen, die Welt etwas besser zu verstehen und mir beigebracht, da, wo ich sie nicht auf Anhieb verstehe, mit Interesse und Offenheit hinzuhören. Könnte ich meinen Weg nochmals gehen, würde ich mich auf jeden Fall wieder für das Studium der Religionswissenschaft entscheiden.